Aufruhr in Tibet und IOC-Präsident Jacques Rogge schweigt

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281126_20080315052744.jpgEin herrlicher Frühlingstag neigt sich dem Ende zu. Ich war an einem Kongress und habe mich später in die Abendsonne gesetzt. Hinter einer Sonnenbrille versteckt, beobachtete ich die Menschen, die durch das Stadtzentrum flanierten. Lebensfreude allüberall.

Vielleicht 15’000 Kilometer östlich von hier herrscht Aufruhr. In Lhasa liefern sich chinesische Soldaten und anfänglich friedlich demonstrierende Tibeter Strassenschlachten. Es gab zwischen 10 und 100 Todesopfer, je nach Quelle. Jörg Schild, der Chef von Swiss Olympic, hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) zu einer Intervention in China aufgefordert. Gegenüber dem „Echo der Zeit“ von Schweizer Radio DRS sprach er sich aber gegen einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking auf.

IOC-Präsident Jacques Rogge hatte zunächst jeden Kommentar zu den Ereignissen in Tibet abgelehnt. Es sei nicht die Aufgabe des Komitees, die Menschenrechtssituation dort zu verbessern, sagte er laut Agenturberichten. Das verlangt kaum jemand, aber ein klares Wort, eine unmissverständliche Aufforderung, die Gewalt zu stoppen – das hätte Gewicht. Rogge könnte an Statur gewinnen. „Der Sport soll sich aus der Politik raushalten“, moniert jemand. Wie bitte? Sport und Politik sind nicht zu trennen. Schon vergessen: Bei den Olympischen Sommerspielen 1980 in Moskau verzichteten viele Delegationen auf eine Teilnahme, um gegen den Einmarsch der Sowjets in Afghanistan zu protestieren.

Foto: Keystone

12 Comments on “Aufruhr in Tibet und IOC-Präsident Jacques Rogge schweigt”

  1. Hardy Jäggi

    Ich habe nie verstanden, wieso die Olympischen Spiele nach China vergeben wurden. Dadurch wird ein Regime unterstützt, das ganz sicher keine Unterstützung verdient. Das zeigen die Vorkommnisse in Tibet nun ganz deutlich.

    Leider ist das IOC ein verlogener Altherrenverein. Von denen ist kein Rückgrat zu erwarten.

    Swiss Olympics könnte nun den Anfang machen, die Teilnahme der Spiele in Peking absagen und andere Länder auffordern, es ihm gleich zu tun.

  2. priska

    Die Olympischen Spiele hätten auch eine Chance sein können. Ich denke, die Idee war, dass sich China dann dem westlichen Druck beugen wird und einiges an der unhaltbaren Situation ändern wird.

    Leider zelebriert China genau das, was das Land oft tut: gegen aussen ein tolles Bild und super Kulissen aufbauen und gegen innen nichts ändern. Im Gegenteil.

    Ich denke nicht, dass Swiss Olympics im Alleingang die Teilnahme absagen wird.
    Dieser Schritt ist grundsätzlich schwierig, da es den Sportverbänden wahrscheinlich um das Sportereigniss geht und dieses wichtiger ist, als die Politik (obwohl natürlich alles zusammenhängt).
    Super wäre, wenn sich die europäischen (und möglichst auch andere) Länder absprechen würden bei einer Absage. Ob das allerdings etwas nützen würde???

  3. Alexander Müller

    Meiner Meinung nach ist es kein Zufall, dass sich die Lage in Tipet nun ausgerechnet in dem Jahr zuspitzt, indem in Peking die olympischen Spiele stattfinden sollen. Gut denkbar, dass auch die Tibeter über PR-Strategen verfügen.

    Wie auch immer ich glaube nicht, dass Sanktionen etwas bringen. Wer sanktioniert, schadet sich selbst. China ist längst nicht mehr nur eine Atommacht. Es ist längst eine globale Wirtschaftsmacht geworden und wir wollen ja alle weiterhin lukrative Geschäfte mit den Chinesen machen oder etwa nicht? Kann man Moral und Ethik essen?

    Abgesehen davon ist China eine Vetomacht, die im UN-Sicherheitsrat sitzt und jede UN-Resolution in dieser Frage sofort mit einem Veto verhindern kann.

    Demokratie und Menschenrechte sind etwas für kleine Völker. Den Ursprung haben Demokratien in griechischen Stadtstaaten, wobei sogar dort nur männliche Bürger der jeweiligen Stadt wahlberechtigt waren. Die römische Republik ist letztlich an der grösse des Imperiums gescheitert. Selbst die Ermordung des Princeps Maximus Gaius Julius Caesar konnte den Niedergang der Republik nicht mehr verhindern. Auch das Imperium Romanum wurde danach von Kaisern und deren Stadthaltern diktatorisch regiert.

    Ab einer gewissen Grösse scheint eine Demokratie natürliche Grenzen zu haben. (Siehe EU-Problematik) Wer anderer Meinung ist, kann mir vielleicht erklären, wie man ein Milliardenvolk auf demokratischem Wege führen will. Rechnen sie sich doch einmal aus wieviele National- und Ständerräte eine Volksrepublik China benötigen würde, wenn sie eine Demokratie wie die Schweiz hätte.

  4. hügli christina

    ich finde, dass die schweizer aussenpolitik unbedingt eine offizielle protestnote an die chinesische regierung senden sollte.

  5. Mike

    Ich finde es ein riesen Skandal was China seit nunmehr 50 Jahren mit Tibet macht.
    Deshalb unterstütze ich den Protestbrief an IOC Präsident Jacques Rogge welcher unter anderem durch http://www.tibetfocus.com unterstützt wird.

  6. Urseppli

    SportlerInnen, die sich nicht zu einem Boykott durchringen können, sollen sich wenigstens Aktionen wie bei ‚Black Power‘ bei der Olympiade in Mexiko-City 1972 überlegen. Alle Athleten in schwarzen Free-Tibet-T-Shirts bei der Eröffnungszeremonie und mit Tibetfahnen in der Hand.

    Wer seine Medaille über kulturellen Völkermord stellt, soll auch nicht mehr ruhig schlafen können.

    So muss niemand boykottieren und der Effekt ist trotzdem da!!

  7. J.C.

    Wieso soll es der Sport richten, wenn die Politik weg sieht?

    Im Jahr 1980 boykottierten einige sportlich wichtige Staaten die Olympischen Spiele von Moskau, nachdem die Sowjets in Afghanistan einmarschiert waren. Völkerrechtlich ist die Situation von Peking und Tibet mit der von Moskau und Afghanistan nicht vergleichbar. Doch in Anbetracht der unsäglichen Gewalt kommt der Gedanke an einen Boykott auch der diesjährigen Spiele auf. Zweifellos ein Boykott der Spiele würde die Führung in Peking schmerzen. Doch nüchtern betrachtet, bestehen doch Zweifel an der Wirksamkeit eines solchen Boykotts. Nach dem Boykott der Spiele in Moskau blieben die Sowjets noch etliche Jahre in Afghanistan. Im Jahr 1984, als die damaligen Ostblockländer die Olympischen Spiele von Los Angeles im Gegenzug boykottierten, standen die Sowjets noch in Afghanistan. Der Boykott von Moskau hatte keinen Einfluss auf den späteren Rückzug der Sowjets. Auch mit dem Boykott der diesjährigen Spiele würden die Probleme zwischen der Führung in Peking und den Tibetern nicht gelöst. Die chinesische Führung würde sich unverstanden fühlen und Abwehrhaltung beziehen. Der dringend notwendige Dialog zwischen den Parteien würde mit einem Boykott nicht gefördert oder gar in Gang gebracht.

    China verletzt die Menschenrechte schon seit Jahren und Amerika wie auch Europa schweigen mehrheitlich. Die Menschenrechtsverletzungen halten kaum jemanden im Westen davon ab, mit China Geschäfte zu machen. Auch im Fall eines Boykotts der Spiele würde der Warenstrom aus China weiter fliessen.

    Wann haben Sie letztmals bei Ihren Einkäufen auf die Produktangabe geschaut und die Ware zurückgelegt, als Made in China stand?

  8. Josef

    Das wahre Gesicht Chinas kommt wieder einmal mehr zum Vorschein.
    – Zensur – Reporter werden ausgewiesen damit man die Wahrheit nicht sieht.
    – Folter / Vertreibung
    – Olympia Propaganda, und wir aus dem Westen geben noch die Plattform dazu !

    Diese „wahre das Gesicht und wische alles unter den Teppich Mentalität“ ist wirklich abstossend,
    Schande über China!

  9. Robert

    Eine politische Protestnote durch den Bundesrat wird seitens China als Angriff gewertet. Dies wird wiederum einen Einfluss auf unsere Wirtschaft haben.

    Die einzige Möglichkeit sehe ich im persönlichen Boykott von chinesischen Waren. Ist die Nachfrage nicht mehr gegeben, verschwindet das Produkt. Dies muss auch konsequent auf die Toplabels wie Nike umgesetzt werden. Nur so kann etwas bewirkt werden.

    Doch ehrlich gesagt, die meisten von uns sind dafür zu bequem ihren Allerwertesten zu bewegen oder den finanziellen Mehraufwand in Kauf zu nehmen. Hauptsache ihr habt mitgejammert und nichts bewegt!

  10. Dr.Ernst

    Junge Freunde!

    Bei der Entscheidung für China als Austragungsort, wie auch bei der Entscheidung einer notwendigen Reaktion auf die menschenverachtende Tibet-Politik Chinas, spielen nur – und auch NUR – wirtschaftliche/finanzielle Interessen des IOC eine Rolle!

  11. Dr.Ernst

    Nachtrag für die Jugend!

    Boykottiert doch zum Beispiel H&M (fast nur chinesische Textilien im Angebot) oder Sportschuhhersteller usw,!

  12. Anonymous

    Margrith
    mailadmin@losolivos.ch
    Solange der Rubel rollt ist doch für die Meisten von uns die Welt in Ordnung. Nicht nur die Politik schaut weg, wenn es um Menschrechtsverletzungen in China, Tibet, Burma usw. geht. Auch uns Konsumenten ist es egal, wenn wir Produkte aus solchen Ländern kaufen, Hauptsache sie sind billig. Kein Land, auch nicht das IOC, wird sich mit China anlegen.
    Aber jedem Fernsehzuschauer ist es frei gestellt die Uebertragungen der Olympischen Spiele zu boykottieren. Ich meinerseits werde davon keine Minute sehen.

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