Zur Volkswahl des Bundesrates: ein Ladenhüter wird erneut aufgefrischt

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Die Aussage ist lapidar und wird oft verwendet: „Das Volk hat immer Recht.“ Ein Teil ebendieses Volkes sprach sich letzte Woche deutlich gegen die Volkswahl des Bundesrats aus. Laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Isopublic fanden 59 Prozent der Befragten, dass der Bundesrat weiterhin durch das Eidgenössische Parlament zu wählen sein, 3 Prozent hatten noch keine Meinung, währenddem 38 Prozent für eine Volkswahl votierten. *** Für die Volkspartei ist das ein Dämpfer.

Die Volkswahl des Bundesrats ist ein veritabler Ladenhüter. SVP-Titan Christoph Blocher hievte sie 1998 im „Albisgüetli“ auf die Agenda. Sie hielt sich allerdings nicht lange. Unmittelbar nach der Abwahl von Bundesrat Christoph Blocher im Dezember 2007 wurde die Volkswahl erneut aufgewärmt. Damals von Fraktionschef Caspar Baader. Bald setzte die Idee erneut Staub an.

Es geht um die Ökonomie der Aufmerksamkeit

Nachdem die Schweizerische Volkspartei die Initiative zur Volkswahl bislang nicht aufgleisen konnte oder wollte, macht nun die SVP-Kantonalsektion Zürich Dampf. Sie hat die Initiative vor ein paar Tagen öffentlichkeitswirksam angekündigt, ein Zurückrudern würde deshalb unglaubwürdig. Allerdings entscheidet die Partei erst am 22. August abschliessend, ob sie die Volksinitiative wirklich lancieren will.

Das Ansinnen hat vorab zwei Gründe:

1.  Alfred Heer, der neue Präsident der Zürcher SVP, muss sich profilieren. Gerade weil der Aufstieg der Volkspartei im Kanton Zürich seinen Anfang nahm. Christoph Blocher präsidierte diese Kantonalsektion von 1977 bis 2003. In dieser Zeitspanne stemmte er seine Partei von einem Wähleranteil von 11,3 Prozent (1977) auf über 30 Prozent. Die Fussstapfen sind für Nationalrat Heer gross.

2.  Der Volkspartei geht es um „die Ökonomie der Aufmerksamkeit“ wie sie der Philosoph Georg Franck 1998 in seinem Buch bezeichnete. Bei der Couchepin-Ersatzwahl vom 16. September hat die SVP nur eine Statistenrolle, deshalb musste sie einen eigenen medienwirksamen Vorstoss anschieben. (Er ist erneut medienwirksam bei der definitiven Lancierung,  in der Phase der Unterschriftensammlung, bei der Einreichung der Unterschriften, bei der Behandlung im Eidgenössischen Parlament und schliesslich im Abstimmungskampf selber).

Die SVP fühlt sich im Bundesrat untervertreten. Dass Eveline Widmer-Schlumpf  am 13. Dezember 2007 den zweiten Sitz der SVP sichern wollte, haben viele Parteimitglieder ausgeblendet. Hätte sie damals die Wahl nicht angenommen, wäre in der Folge CVP-Ständerat Urs Schwaller (FR) zum Handkuss gekommen. Eine Mehrheit der Vereinigten Bundesversammlung war zum Schluss gekommen, das sie das „Experiment Blocher im Bundesrat“ nach vier Jahren beenden wollte.

Zweimal stimmte das Volk schon ab, zweimal sagte es Nein

Über die Volkswahl des Bundesrats stimmten die Schweizerinnen und Schweizer schon zweimal ab: Im Jahr 1900 scheiterte die Volksinitiative mit 65 Prozent Nein, 1942 mit 68 Prozent Nein. Die treibenden Kräfte hinter dem ersten Anlauf waren die Katholisch-Konservativen (die heutige CVP) und die SP, beim zweiten waren es die Sozialdemokraten alleine. Beiden Parteien ging es um eine adäquate Vertretung im Bundesrat: So stellten die Katholisch-Konservativen im Jahr 1900 mit dem legendären Josef Zemp erst einen Bundesrat (nebst sechs Freisinnigen).

Die SP, die seit der Einführung des Proporzwahlsystems 1919 stets zu den drei wählerstärksten Parteien gehört, musste mehrere Dutzend Male vergeblich anrennen, bis ihr die bürgerlichen Parteien mitten im Zweiten Weltkrieg erstmals den Einsitz in der Landesregierung erlaubten. Den zweiten Bundesratssitz errang die SP 1959, dem Geburtsjahr der Zauberformel, die bis 2003 Gültigkeit hatte (Je 2 Vertreter von CVP, FDP und SP, 1 Vertreter der SVP).

Mark Balsiger

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*** Stichprobe: 506 Befragte, Stichprobenfehler max. +/- 4,5%; die Befragung erfolgte vom 2. bis 4. Juli 2009

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