Initiative „Köpfe statt Blöcke“: Die Stossrichtung ist richtig, das Hauptmotiv bremst

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Bei den letzten Parlamentswahlen in der Stadt Bern war die BDP die grosse Siegerin. Im November 2008 erreichte die neu gegründete Partei aus dem Nichts 6 Sitze – ein fulminanter Start. Jetzt wagt sie sich bereits an eine Volksinitiative heran. Das verdient Respekt, Lehrgeld muss sie auch zahlen. Doch davon später.

Die BDP will das Wahlsystem für die Stadtberner Regierung ändern: vom Proporz zum Majorz. Ihre Volksinitiative lässt sich auf den eingängigen Slogan  „Köpfe statt Blöcke“ eindampfen. Vor 20 Monaten publizierte ich im „Bund“ einen Gastkommentar mit einem ähnlichen Titel:

Bern wählt Blöcke statt Köpfe (30. Mai 2008; PDF)

Dass das Proporzsystem Wahlen für die Exekutive ad absurdum führen kann, lässt sich im Kanton Bern seit vielen Jahren immer wieder beobachten. Das jüngste Beispiel: Für die fünfköpfige Exekutive in Köniz, nota bene die zwölftgrösste Stadt in der Schweiz, kandidierten nicht weniger als 29 Personen. Sechs Parteien traten mit Vierer- oder sogar Fünfer-Listen an, obwohl mehrere darunter kaum Aussichten auf nur einen Sitz hatten. So werden Exekutivwahlen zu verkappten Parlamentswahlen.

Von den 29 Kandidaten hatte etwa jeder Dritte Wahlchancen. Der überwiegende Rest zottelte mit. Als Stimmenfänger für die Ambitionierten. Der Partei zuliebe. Weil das zur Ochsentour gehört. Nicht wenige wollten aber auf gar keinen Fall gewählt werden. Das grenzt an eine Veräppelung der Wählerinnen und Wähler.

Bei Exekutivwahlen sollten die Persönlichkeiten im Vordergrund stehen, nicht die Parteifarbe oder gar ein unglaubwürdiges Zweckbündnis. Auch vor diesem Hintergrund finde ich die Stossrichtung der BDP richtig. Mit ihrer Initiative will sie insbesondere den RGM-Block im Stadtberner Gemeinderat, der seit 1992 die Mehrheit hat, brechen. (Für Nicht-Berner: Gemeinderat = Exekutive; RGM = Rot-Grün-Mitte, dazu zählen SP, Grünes Bündnis, GB und die Grüne Freie Liste, GFL)

Genau mit diesem Hauptmotiv handelten sich die Initianten allerdings einen „Bremser“ ein. Es ist aufwändig, in einer rot-grünen Stadt mit der Parole „Wider Rot-Grün!“ Unterschriften für eine nicht-populistische Initiative zu sammeln. Einfacher wäre es gewesen, mit der positiv konnotierten Aussage „für echte Persönlichkeiten statt Parteiblöcke“ auf der Strasse zu werben.

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Bis Anfang Juli muss die BDP 5000 gültige Unterschriften beisammen haben, damit die Initiative zustandekommt. Das entspricht etwa 6 Prozent der Stimmberechtigten – prima vista eine tiefe Hürde. Allein: Es braucht eine gute Organisation und viel Stehvermögen, auf der Strasse für ein technokratisches Anliegen, das sich emotional nicht aufladen lässt, Unterschriften zu sammeln.

Die Lancierung von Unterschriftensammlungen wirkt auf Parteien in der Regel belebend. Ihre Mitglieder müssen „ad Säck“, Unterschriften stammen zu schätzungweise drei Vierteln von Strassenaktionen. Dabei kommen die Parteimitglieder in den Kontakt mit potenziellen Wählerinnen und Wählern. Das kann nur nützen – gerade vor einem baldigen Wahltermin. Am 28. März finden Regierungs- und Grossratswahlen statt.

Die Initiative „Köpfe statt Blöcke“ ist zunächst parteiintern ein gutes Mobilisierungsvehikel. Ob sie zu mehr taugt – Reputation und Wählerstimmen zum Beispiel -, bleibt abzuwarten.

Mark Balsiger

Die aktuelle Berichterstattung in der Berner Presse von heute:

Die BDP will Majorzwahl für den Gemeinderat (Berner Zeitung, PDF)
– BDP will Parteienproporz abschaffen (Der Bund; PDF)

Weiterführender Hintergrund zum Thema:
Eine Lanze für das Majorzsystem (wahlkampfblog, 29. Mai 2008)


Foto Unterschriftensammlung: swissinfo.ch

One Comment on “Initiative „Köpfe statt Blöcke“: Die Stossrichtung ist richtig, das Hauptmotiv bremst”

  1. Mark Balsiger

    Politologe Hans Hirter, ein profunder Kenner der Berner Politik, brachte gestern in der „Basler Zeitung“ einen Aspekt ein, den ich in meinem Posting vergass: den freiwilligen Proporz. Nach einer Umstellung vom Proporz- zum Majorzwahlsystem in der Stadt Bern würden die RGM-Parteien den anderen 2 von 5 Sitzen überlassen.

    Der freiwillige Proporz hat in vielen Stadt- und Kantonsregierungen Tradition. Unter dem Strich ein weiteres Argument für einen Systemwechsel. Wenige Kandidaten sollten sich der Wahl stellen, kein Jekami.

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