Wie Johann Schneider-Ammann im Bundesratspoker Dynamik auslösen könnte

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Was zeichnet eine ausgezeichnete Bundesrätin, einen AAA-Bundesrat aus?
– Der unbedingte Wille zu gestalten,
– Cleverness,
– das Geschick, mehrheitsfähige Allianzen schmieden zu können,
– Instinkt,
– eine klare Agenda,
– ein überzeugender Auftritt,
– Empathie,
– Volksnähe.

Bei allem Respekt, aber den beiden freisinnigen Bundesräten Didier Burkhalter und Johann Schneider-Ammann können nicht alle der genannten Qualitäten zugeschrieben werden. Das ist eine Belastung – nicht zuletzt für sie selbst, aber auch die FDP. Burkhalter hat gestern, ausgelaugt und müde, die Reissleine gezogen. Ab dem 1. November ist er Ex-Magistrat. Eine Zukunft mit einer selbstbestimmten Agenda und mehr Lebensqualität als heute ist dem hochanständigen und sensiblen Neuenburger zu gönnen.

Was wir nicht vergessen dürfen: Burkhalters Wahl in den Bundesrat war 2009 die logische Konsequenz auf die Phase der zermürbenden Nahkämpfe unter den Alphatieren Christoph Blocher (2004–2008, SVP), Pascal Couchepin (1998–2009, FDP) und Micheline Calmy-Rey (2003–2011, SP). Man wollte Harmonie und Kollegialität in der Landesregierung, Burkhalter hat grossen Anteil daran, dass beides wieder Einzug hielt.

Burkhalter kämpfte nie wie ein Löwe für seine Überzeugungen, es war ihm auch zuwider, in diese Niederungen der Politik hinabzusteigen. Deswegen wird sein Wirken blass oder bestenfalls durchzogen in Erinnerung bleiben.

Auch Johann Schneider-Ammann macht schon lange einen ausgelaugten und müden Eindruck. Als Unternehmer hat er für den Industriestandort Schweiz Grosses geleistet, das Renommee des umsichtigen Patrons trug ihn im Herbst 2010 in die Landesregierung. Allerdings ist er bis heute nicht mit der politischen Feinmechanik vertraut, seine rhetorischen Fähigkeiten sind eingeschränkt, was seit Jahren immer wieder zu Gespött führt.

Würden Burkhalter und Schneider-Ammann gemeinsam zurücktreten, wäre das für ihre Partei befreiend. Sie könnte ein Schaulaufen von Genf bis Rorschach und von Basel bis Mendrisio inszenieren. Nichts lieben die Medien mehr als Storys rund um Bundesratskandidatinnen und -kandidaten, das Sommerloch ist gross. Niemand glaubt im Ernst daran, dass die beiden FDP-Sitze gefährdet sind, die Kraftmeiereien der Levrats und Wermuths gehören zum politischen Spiel. Kommt hinzu, dass der FDP bei einem Doppelrücktritt alle Optionen offenstünden; sie riskierte nicht, einzelne Kantonalsektionen, Sprachregionen oder die FDP-Frauen zu verärgern.

Natürlich finden die eidgenössischen Wahlen erst im Oktober 2019 statt, aber mit zwei Neulingen im Bundesrat hätte der Freisinn schon früh viel Schwung – so denn das richtige Duo gewählt würde. Wie ungleich besser wäre diese Partei beispielsweise aufgestellt mit Ständerätin Karin Keller-Sutter (SG) und Staatsrat Pierre Maudet (GE)! Beide sind „animaux politiques“, beide bringen alle eingangs aufgelisteten Qualitäten mit. Der Ball liegt bei Schneider-Ammann. Er könnte Dynamik auslösen – zum ersten Mal als Politiker.

 

Kommentare zu Burkhalters Rücktritt vom 14. Juni 2017:

Der scheue Staatsmann (Basler Zeitung, Markus Somm)
Er war gar nie richtig Bundesrat (Der Bund, Patrick Feuz)
Le sparadrap du capitaine Burkhalter, démissionnaire (Le Temps, Bernard Wuthrich)
Nun ist ein bürgerlicher Bundesrat zu wählen (NZZ, Michael Schönenberger)
Burkhalter flüchtet und hinterlässt eine Grossbaustelle (Watson, Peter Blunschi)

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