Was geschieht mit dem „Bund“? – Kommt es zu Personalabbau oder gar zum „Aus“?

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Heute morgen auf 9 Uhr müssen alle Redaktorinnen und Redaktoren der Tageszeitung „Der Bund“ antraben. Sie wurden im Verlaufe des Sonntags per SMS aufgeboten. Das lässt nichts Gutes erahnen. Wer gestern Abend im Berner Rathaus die „Bund“-Journalisten beobachtete, stutzte.

Dass der „Bund“ wirtschaftlich serbelt, ist seit mehr als zwei Jahrzehnten eine Tatsache (publizistisch hingegen leistet er noch heute Aussergewöhnliches). Früher wurden die Löcher in Millionenhöhe durch die Mehrheitsaktionäre Ringier, NZZ oder Espace Media Groupe gestopft. Seit die Tamedia vor eineinhalb Jahren das Zepter übernommen hat, ist klar, dass es diesen Mechanismus nicht mehr geben wird.

Hat jemand dieses Mal das Totenglöcklein gehört, wie ich das bereits im Sommer 2007 und 2003 vermeldete?

Die Medienbranche spürt eine heranziehende Rezession in der Regel zuerst. Die letzten Tage wurden Personalabbau, Zwangspause im Sommer und anderes vermeldet, von den AZ-Medien über „le matin bleu“ bis zur „Weltwoche“. Bis zur Stunde ist bekannt, dass 150 Arbeitsplätze in der Zeitungsbranche abgebaut werden.

Welches sind die Szenarien für den „Bund“:

– Das Traditionsblatt wid eingestellt, eine „Fusion“ würde vermutlich bloss die abgedämpfte Sprachregelung für das Aufgehen in der „Berner Zeitung“ bedeuten
– Der „Tages-Anzeiger“ oder allenfalls die „Berner Zeitung“ (BZ) liefern den so genannten Mantel plus, d.h. Ausland, Inland und Wirtschaft, der „Bund“ produziert noch einen Teil, nämlich den Stadt-Bund (der Sportteil wird ja schon seit geraumer Zeit von der BZ erarbeitet; er ist bis heute ein Fremdkörper geblieben)
– einzelne Ressorts werden demnächst eingestellt, am gefährdetsten ist das Ressort Wirtschaft, gefolgt vom Ausland und Inland. Stattdessen werden diese Inhalte vom „Tages-Anzeiger“ oder der BZ bezogen

Die Landeshauptstadt steuert auf eine Monopolsituation im Zeitungsmarkt hin. Da wirkt ein seit Jahren verwendeter Slogan beim „Bund“ plötzlich zynisch: „Verstehen, warum“.

5 Comments on “Was geschieht mit dem „Bund“? – Kommt es zu Personalabbau oder gar zum „Aus“?”

  1. Michael Gisiger

    Tja, schade. So oder so. Lässt sich aber wohl nicht vermeiden.

    Soeben via persoenlich.com Breaking News reingekommen:
    „Die Berner Tageszeitung „Der Bund“ hat ohne redaktionelle Zusammenarbeit wirtschaftlich keine Perspektiven. Darum werden nun zwei Kooperationen geprüft. Zum einen steht eine redaktionelle Zusammenarbeit zwischen „Bund“ und „Tages-Anzeiger“ zur Diskussion. Alternativ wird eine Zusammenführung der Redaktionen von „Berner Zeitung“ und „Bund“ geprüft. Projektleiterin und neue Verlagsdirektorin ad interim „Berner Zeitung“ und „Der Bund“ wird Uli Rubner.“
    http://www.persoenlich.com/news/show_news.cfm?newsid=79268

  2. Titus Sprenger

    Die so genannte „Monopolsituation im Zeitungsmarkt“ besteht in anderen Städten und Regionen ja schon seit Jahren. Bern war eher eine Ausnahme, dass man sich noch immer zwei Tageszeitungen leistete – oder leisten konnte.

    Das soll nicht heissen, dass eine Monopolsituation eine gute Sache wäre. Es geht schliesslich um nichts weniger als um die allgemeine Meinungsbildung, zu welcher Redaktionen massgeblich beitragen. Spannend ist hierbei die Frage, wie es insbesondere in jenen Regionen, welche schon lange nur noch eine Tageszeitung kennen, zur Meinungsbildung kommt – oder kommt es gar nicht mehr dazu? Was ist die Rolle der anderen Medien wie Radio und TV?

    Ebenso spannend ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung bei medienübergreifenden Redaktionen mit einem so genannten Newsdesk. So weihte kürzlich ja die Espace Media Group ihr neues Medienhaus ein. Heisst das nun, dass nur noch eine redaktionelle Leistung in x-verschiedenen Kanälen wiedergegeben wird, dass also nicht einmal mehr zwischen den Medien Unterschiede bestehen?

  3. Mark.Balsiger

    @ Titus Sprenger

    Die Grossregion Basel war meines Wissens die erste, die sich mit einem Medienmonopol konfrontiert sah. Nach einer Fusion war plötzlich nur noch die „Basler Zeitung“ (baz) da.

    Dass Murren aus dem Rheinknie ist seit 25 Jahren zu vernehmen, viele sind unzufrieden. Immerhin schafft es ein herausragender Journalist seit einigen Jahren, die baz immer wieder herauszufordern: Peter Knechtli mit seinem „Online Reports“. Das Design des Webauftritts ist grauenvoll, dafür überzeugt der Inhalt.

    Zum neuen Medienhaus der Espace Media Group am Dammweg in Bern: Es liegt auf der Hand, dass Themen unter den Zeitungs-, Radio- und TV-Redaktionen ausgetauscht werden. Das nenne ich die fortgeschrittene Verbreiung des Medieneinheitsbreis.

  4. Titus Sprenger

    Netter Schlusssatz.

    In Biel soll es zeitweise gar sieben Tageszeitungen gegeben haben, wovon einige allerdings nur wenige Monate überlebten.

    Biel ist gewiss keine Ausnahme. Ich habe meinen Namen mit einem Wikipedia-Artikel verlinkt, welcher im Kapitel „Ehemalige Zeitungen“ eine (unvollständige) Liste mit Zeitungen enthält, welche der eine oder andere sicher noch kannte. Diese Liste zeigt auch: Die Zeitungslandschaft war schon immer Änderungen unterworfen.

    Lange Zeit widerspiegelte eine Zeitung auch eine politische Gesinnung. Die Meinungsvielfalt drückte sich somit über die Zeitungsvielfalt aus. Vielleicht hat es auch mit dem zunehmenden Wohlstand zu tun, dass nicht allzu viele Proteste bei angekündigten „Fusionsprodukten“ zu verzeichnen waren. Vielleicht vermochten auch die aufkommenden Lokalradios ein Gegengewicht zur Lokal-Berichterstattung der Print-Medien geben?

    Sicher scheint mir, dass es zunehmend nur Internet-Plattformen à la Online Reports sind, welche noch eine andere Meinungsbildungsplattform bieten…

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