Der gestrige Arbeitstag war lang, 17 Stunden brutto. Abzüglich dem kurzen Abtauchen in der Aare über Mittag und einer Pause am Abend, um im Garten der „Dampfzentrale“ zu speisen und dem Laub im Wind zuzuhören. Kaum waren unsere Kaffeetassen abgekühlt, kam ein Sturm auf und fegte über Bern. Irgendwo zerbirst ein Baumstamm. Zurück an den Arbeitsplatz.
Kurz nach Mitternacht knipse ich das Licht aus, schliesse die Bürotüre und trete in die Nacht hinaus. Ich stutze: Auf dem Gepäckträger meines Fahrrads ist etwas festgemacht. Für einen Moment komme ich ins Grübeln: „War ich so zerstreut, dass ich mich nicht einmal mehr daran erinnern kann, einen Plastiksack eingeklemmt zu haben?“ Oder haben sich die Kinder im Quartier wieder einmal…
Ich greife nach dem Plastiksack – da ist was drin. Der Inhalt fühlt sich hart an. Keine Zweifel: ein Buch. Schnell ist es ausgewickelt, und da liegt es nun in meinen Händen. Ein Lächeln huscht über mein müdes Gesicht, ich streiche über den Umschlag. Auf der ersten Seite eine persönliche Widmung. „Du gute Fee, du!“
„Literaturblog“ heisst das 220-seitige Werk. Sieben Schweizer Autorinnen und Autoren berichten darin über ihren Alltag als Schreibende. Sabina Altermatt ist darunter und Peter Zeindler, Ruth Schweikert und Emil Zopfi – auf dem Umschlag ist das „i“ seines Nachnamens in der Eile vergessen gegangen. Und dann natürlich Simon Cheng, dieser Lausebengel, umlängst auf einer Berner Bühne zu Gast, der mit starker Präsenz, Witz und gelungener Wortakrobatik auffiel. Endlich einmal ein Literat, der auch vorlesen kann, ohne dass einem das Gesicht einschläft!
Drei Monate lang verfassten die sieben Schreibenden Blog-Beiträge, das Publikum kommentierte laufend, nahm den Faden auf, ein anderer Autor spann ihn weiter. Eine freche Idee. Und jetzt liegt sie gebunden vor. Neunzig verschiedene Postings zwischen zwei Buchdeckeln. Das älteste und sinnlichste Medium verquickt mit einem jungen, schnelllebigen.
Literarische Ansprüche auf Blogs – und jetzt ist Buchform? Das geht doch gar nicht, mäkeln die Puristen. Die ersten Texte, die ich in der tiefen Nacht noch gelesen habe, lassen einen anderen Schluss zu.
Das „Blogbuch“ wird mich begleiten. Es ist mehr als ein „Buch des Tages“. Es ist ein schönes Geschenk, so unverhofft. Danke.
„Literaturblog – Schweizer SchriftstellerInnen öffnen ihre Literaturwerkstatt“; Martin Weiss (Hrsg.), Elster Verlagsbuchhandlung AG, Zürich
One Comment on “Postings zwischen zwei Buchdeckeln”
@blogchef mark
auch ich habe nicht schlecht gestaunt: bescheidenes präsent – unverhoffte freude – ein ganzes posting!
auf den zauber des schenkens und beschenkt werdens ;-)