Die „Arena“ hat eine neue Debattenkultur salonfähig gemacht

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arena_2_580_sf_tv_121207_arena_sfIn der „Freitagsrunde“, die das Schweizer Fernsehen bis im Sommer 1993 ausgestrahlt hatte, schoben Moderatoren wie Anton Schaller ihre Fragen mit Samthandschuhen von einem Gast zum nächsten. Die Sendungen verliefen ruhig, geordnet, anständig – aus der heutigen Perspektive fad und langweilig. Als vor genau 20 Jahren die „Arena“ auf Sendung ging, war die politische Schweiz perplex: Das neue Format war das Gegenteil der „Freitagsrunde“, es setzte auf Konfrontation, Schlagabtausch und Emotionen. Das war neu und verstörend.

Im Parlament wurden Vorstösse eingereicht, um die „Arena“ wieder abzusetzen. Der damalige Bundesrat Flavio Cotti boykottierte die Sendung, weil für ihn Politik mehr sei als ein Kampf, um die Zuschauer zu unterhalten. Die Kritik ist bis zum heutigen Tag nie ganz verstummt. Oft gehört: Das verbale Kräftemessen im Sägemehl passe nicht zur Kultur des Dialogs, die in der Schweiz eine lange Tradition habe. Andere monieren, das Format sei verwässert, die Protagnisten würden bloss ihre Botschaften herunterrattern anstatt zu diskutieren.

Hypothese: Die „Arena“ hat die Personalisierung vorangetrieben, in den Neunzigerjahren den Aufstieg der SVP begünstigt und die Politik insgesamt geprägt, wenn nicht sogar formatiert. Die Debattenkultur in dieser Sendung wurde zum Standard im Nationalratssaal, auf Podien und anderen Bühnen. Das bedeutet nicht nur eine Verflachung, sondern vor allem auch Verarmung des politischen Diskurses. Die Verrohung davon kann man inzwischen in den Kommentarspalten der Online-Portale verfolgen, wo aus dem Schutz der Anonymität diffamiert und gerichtet wird. Die „Arena“ hat diese neue Debattenkultur erst salonfähig gemacht.

Mark Balsiger

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Am Morgen fragte ich auf Twitter, welche Bedeutung die „Arena“ habe, was an der Sendung gefalle und was nicht. Eine Art Vox Populi im 140-Zeichen-Korsett:

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Heute Abend um 22.20 Uhr wird die Jubiläumssendung zu 20 Jahre „Arena“ ausgestrahlt. Sie dauert ausnahmsweise bis Mitternacht, auch alle ehemaligen Moderatoren sind dabei.

 

Andere Berichte zu 20 Jahre „Arena“:

Wie viele Pültchen dürfen es sein (NZZ, Martin Senti, 22.08.2013)
„Wutausbrüche und Tränen gehören dazu“ (Neue Luzerner Zeitung, Sasa Rasic, 22.08.2013)
„Arena“ vertreibt Bauernkomplex (Basler Zeitung, Benedict Neff, 23.08.2013)
Wie aus der „Arena“ ein Plauderclub wurde (Berner Zeitung, Peter Meier, 23.08.2013)

 

Foto Arena: sf.tv

 

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