Bern: Das Forum „die Mitte“ steht, weil „die Mitte bislang nur verbal besetzt war“

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Es hätte eine gleichsam symbolische wie fototrächtige Aktion werden sollen, exakt in der geografischen Mitte der Stadt Bern. Doch der grosse hellblaue Ballon mit der Aufschrift „die Mitte – gemeinsam für Bern“ mochte nicht warten. Kaum hatte die Medienkonferenz heute Nachmittag begonnen, löste sich er sich unbemerkt vom Haken und stieg zügig in die Höhe. Nur ein Journalist sah es, keine Kamera fing diesen Moment ein.

Die Frage: Ist das nun ein gutes oder schlechtes Omen für das neue überparteiliche Bürgerforum „die Mitte“?

Die Gründungsmitglieder des Forums sind ehemalige freisinnige Stadträte: Heinz Rub, Urs Jaberg und Michael Burkard. Mit dabei ist auch Christine Schaad Hügli, die Gattin von Gemeinderat Stephan Hügli (parteilos). „Die Mitte“ soll also die neue politische Heimat des langjährigen FDP-Mitglieds werden, obwohl betont wurde, dass sie „kein Hügli-Gefäss“ sei.

„Die politische Mitte war bislang nur verbal besetzt“, sagte Jaberg. Sie wolle unabhängig und losgelöst von den beiden grossen politischen Blöcken auftreten. „Unser Forum ist nicht gegen die FDP gerichtet“, fügte er an. Das Ziel der Gründungsmitglieder ist es, nach Möglichkeit mit einer Zwölferliste zu den Stadtratswahlen (für Nicht-Berner: Stadtrat = Legislative) anzutreten, sagte Rub im Anschluss an die Medienkonferenz. Er hoffe auch bekanntere Namen. Für den Gemeinderat (Exekutive) ist Stephan Hügli gesetzt – bislang alleine. Das war auf Grund der Informationen von Ende letzter Woche nicht absolut klar gewesen.

Dass er seinen Sitz im Alleingang retten kann, ist auszuschliessen. Das Proporzwahlsystem setzt die Hürde sehr, sehr hoch. Vor vier Jahren versuchte Ursula Begert, die von der SVP herausgemobbt worden war, diese Hürde zu nehmen. Sie erreichte fast 24’000 Stimmen, mehr als alle anderen Kandidierenden. Mit 30’000 Stimmen hätte sie die Wiederwahl geschafft.

Stephan Hügli kann rechnen und er kennt das Wahlsystem in der Stadt Bern. Er sagt, dass die Hürde „sehr, sehr hoch“ liege. Hügli weiss aber, dass er nur dann eine Chance hat, wenn er nicht als einziger Kandidat auf einer Gemeinderatsliste antritt.

Illustration: www.die-mitte.org
(Nachtrag: Wie ich eben entdeckte, wird der blaue kugelrunde Ballon im Firefox verzerrt bzw. er mutiert zu einem Ei. Ich orientiere mich an der Mehrheit, und die braucht den Internet Explorer als Standard-Browser.)

13 Comments on “Bern: Das Forum „die Mitte“ steht, weil „die Mitte bislang nur verbal besetzt war“”

  1. open society

    Wo sind die Wahlforscher?
    Nach Jahrzehnten der Polarisierung in der Politik scheint nun wieder der Morgen der Diversifikation zu dämmern. Erst differenzierten sich die Grünliberalen von der reinen Öko-Ecke aus, dann die Zivilisierten aus der SVP. Und nun folgen erste Tendenzen in der FDP. Angesichts dieser durchaus gesunden, weil Demokratie-stützenden Tendenzen habe ich eigentlich nur zwei Fragen: a) wann beginnt der gute alte Zürcher Freisinn, am Stuhl zu fialen und b) wo bleiben bloss all die Polit-Experten, welche diesen Prozess messend-projektiv begleiten?

  2. mousseman

    Die Mitte muss sich in Bern positionieren – nur habe ich bisher nicht gesehen, was diese Partei vom rot-grünen Einheitsbrei abhebt. Verkehrskompromiss? Immer noch dabei? Alle sonstigen roten Floskeln? Auch dabei.

    Nein, diese Partei ist ein Frontmann, um die paar weniger ‚linken‘ Linken mitzubekommen.

  3. open society

    @ mousssemann
    Als Nicht-Berner und Nicht-Roter eine Frage: Rot-grüner Einheitsbrei – was genau ist darunter zu verstehen? Gibt es auch einen braun-blauen Einheitsbrei? Und last but not least: Sind weniger „rechte“ Rechte Linke?

  4. Jan Flückiger

    Forum Mitte, BDP, GFL, GLP, alle drängen ins politische Zentrum, zumindest verbal. Dies ist eine Folger verhärterter Fronten auf nationaler und lokaler Ebene: Die Entwicklung hin zu ideologischen, unpragmatischen und populistischen Extrempositionen links wie rechts sowie Verhätungen im Stil haben in der politischen Mitte ein Loch hinterlassen. Konsensorientierte Politiker und Wähler fühlen sich dementsprechend allein gelassen. Kein Wunder drängen nun allenthalben Politiker und Parteien, die sich selber als „vernünftig“, „sachorientiert“ und „pragmatisch“ bezeichnen, in diese Lücke.

    Was dahinter steckt, müssen die einzelnen Gruppierungen (vor allem die neuen 2) noch beweisen. Worin sich eine die BDP von der SVP, das Forum Mitte von der FDP wirklich unterscheiden will, darauf darf man gespannt sein. Teilweise stecken vermutlich eher persönliche Streitereien und Ambitionen als programmatische Unterschiede hinter den Abspaltungen. Zudem handelt es bei den abweichenden Positionen oftmals um reine Lippenbekenntnisse. Plötzlich führen Leute das Wort „Ökologie“ im Munde, die in ihrer gesamten Politkarriere noch nie für ein ökologisches Anliegen eingestanden sind.

    Wir dürfen gespannt sein, wie der Wähler auf die neue Auswahl reagieren wird. Ein persönlicher (nicht ganz neutraler Tipp): Wer eine echte Alternative zu den bestehenden Parteien auf dem Platz Bern sucht, wer ehrlich für die Umwelt einstehen will und eine liberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik befürwortet, der kann eigentlich nur zum Schluss kommen, den Grünliberalen eine Chance zu geben. Die Zwischenbilanz aus dem Kantonsparlament in Zürich zeigt, dass der Leistungsauweis der Grünliberalen (glp) sich durchaus sehen lassen kann und dass der Name der Partei auch hält, was er verspricht (siehe Artikel im Tages Anzeiger: http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/zuerich/867499.html).

    Jan Flückiger, Grünliberale Bern

  5. Schaad Hügli Christine

    Sie sehen das völlig richtig, Herr Flückiger: das Bedürfnis nach Sachorientierung und Anstand in der Politik manifestiert sich, wird sichtbar hörbar, erkennbar. Das ist gut so. Was Sie über die Schlagkraft der neuen Gruppierungen sagen, ist ebenfalls richtig: sie wird sich erst noch beweisen müssen. Die politische Landschaft der Stadt Bern, des Kantons, selbst der Schweiz ist in Bewegung geraten. Auch das ist gut so.

    Es ist nur schade, dass Sie sich nicht darüber freuen mögen, sondern als Motive „persönliche Streitereien“ und „Lippenbekenntnisse“ zu erkennen glauben. Und es ist bedauerlich, von Ihnen lesen zu müssen, die Exponenten von BDP und der „Mitte“ wären noch nie für ökologische Anliegen eingestanden. Das ist ein Pauschalvorwurf, dem man eigentlich nur mit einem pauschalen „stimmt nicht“ entgegentreten könnte – wenn man denn wollte.

    Wir aber wollen etwas anderes. Wir wollen vernünftige und anständige Sachpolitik für Bern. Wir wollen das unterstützen, was gut ist für Bern. Dazu gehört Umwelt wie Wirtschaft, Soziales wie Bildung, Verkehr wie Kultur. Wir wollen eine lebendige und blühende Stadt Bern. Das wollen Sie doch auch, nicht wahr?

    Die Grünliberalen treten 2008 zum ersten Mal bei den Stadtberner Wahlen an. Wir, also das Forum „die Mitte“, ist in der gleichen Position. So, wie wir unsere Schlagkraft zu beweisen haben, haben die Grünliberalen der Stadt und des Kantons Bern ihren Erfolg erst noch zu erringen. Wir reichen Ihnen die Hand zur Kooperation, prüfen offen und unvoreingenommen Ihre Anliegen und Positionen, finden eine gemeinsame Plattform und besetzen die politische Mitte. Ihr Stadtberner Ko-Präsidium geht Ihnen dafür mit dem guten Beispiel voran: Erst kürzlich haben wir uns bei einem gemeinsamen Mittagessen gut verstanden und lebhaft ausgetauscht.

    Das Bestreben der Mitte ist Anstand und lösungsorientierte Sachpolitik. Unser Motto lautet: Gemeinsam für Bern. Das bindet ein und grenzt nicht aus.

    Dieser Ansatz betrifft auch Sie, Jan Flückiger. Denn mit unterschwelligen Anfeindungen erreichen wir das Ziel einer gemeinsamen, lösungsorientierten Sachpolitik in unserer Stadt sicherlich nicht. Verzichten Sie auf vorgefasste Meinungen, zeigen Sie Ihren liberalen Geist und treten Sie ein in den offenen Dialog.

    Gerne treffe ich mich auch mit Ihnen zu einem persönlichen Gespräch.
    Bis dahin grüsse ich Sie freundlich
    Für „die Mitte“
    Christine Schaad Hügli, lic. iur.

  6. Hefti

    Die Mitte wird aktuell:

    Für die Demokratie und Bürgerfreiheit ist es nur von gutem, wenn alte Politstrukturen und Seilschaften aufgebrochen werden. Der Wähler hat nun eine echte Auswahl zwischen demokratischer Bürgerpartei, Grünliberalen, CVP, Bürgerforum usw. Diese neuen Gruppierungen sind bislang frei von Nepotismus und Begünstigungen, da sie noch keine Pfründe zu verteilen haben.

    Sachpolitik vor Ideologien:
    Leider hat Herr Hügli noch keine Homepage, welche leicht auffindbar ist und hält sich auch sonst im Hintergrund.
    Der Erfolg der EURO 08 hat showman Tschäppät für sich eingebucht, obschon doch evtl. die Sicherheitsdirektion auch was beigetragen hat.

    Jedenfalls: Wahltag ist Zahltag und als einer der parteiungebundenen Mehrheit bin ich gespannt wies rauskommt. Herr Hügli hat gute Chancen, wenn er noch zwei bis drei „Köpfe“ auf seine Liste kriegt, zB Quereinsteiger wie Fussballtrainer oder so.

    Dr. J.E. Hefti Bern und Hasliberg

  7. Mark.Balsiger

    Schön, wie hier nach einigen Tagen Pause eine Diskussion angerissen wurde.

    @ Dr. Hefti

    Sicherheitsdirektor und Gemeinderatskandidat Stephan Hügli hat eine eigene Website. Die Adresse lautet:

    http://www.huegli-bern.ch/

    Zweifellos hat Stadtpräsident Alexander Tschäppät sehr von der Euro profitiert, so wie ich das in mehreren Blogeinträgen bereits thematisierte. Allerdings hat er es als einziger auch verstanden, in den letzten Wochen zu ernten. Schliesslich, und das gereicht Tschäppät zu seiner teilweisen Verteidigung: Niemand anders in der Stadtregierung hat nach der Krawalldemonstration in Bern vom 6. Oktober und in den folgenden Wochen so viel knüppeldicke Kritik einstecken müssen wie er.

  8. Jan Flückiger

    „Dieser Ansatz betrifft auch Sie, Jan Flückiger. Denn mit unterschwelligen Anfeindungen erreichen wir das Ziel einer gemeinsamen, lösungsorientierten Sachpolitik in unserer Stadt sicherlich nicht. Verzichten Sie auf vorgefasste Meinungen, zeigen Sie Ihren liberalen Geist und treten Sie ein in den offenen Dialog.“

    Den Dialog mit Ihnen werde ich gerne führen, Frau Schaad Hügli. Die unterschwelligen Anfeindungen habe ich in meinem Text leider nicht gefunden.

    Zu ihrer Pauschalentkräftigung meines Pauschalvorwurfs: Mit einem einfachen „stimmt nicht“ gebe ich mich nicht zufrieden. Klären Sie mich doch bitte auf und erklären Sie mir, wo sich die Vertreter von BDP und des Forums Mitte zum letzten Mal für ein ökologisches Anliegen eingesetzt haben?

  9. Christine Schaad Hügli

    Lieber Jan Flückiger, ich bin gespannt auf einen sicherlich fruchtbaren Dialog! Gerne treffe ich mich mit Ihnen zum Mittagessen, beispielsweise am Dienstag, 22. Juli oder am Donnerstag, 24. Juli jeweils um 12.15 h im Casino. Passt Ihnen einer dieser Termine? Mit Vorfreude: Christine Schaad Hügli
    http://www.die-mitte.org

  10. Mark.Balsiger

    Hoppla, dieses Blog kriegte eben eine neue Funktion! Wenn es aber zwei Berner Persönlichkeiten zusammenbringt, die sich bislang nicht kannten, ist das in meinem Sinn.

    Oder sitzen wir einem „Spin“ auf? Geht es bloss darum, dass die lokalen Journalisten, die hier regelmässig mitlesen, Stoff für eine Sommergeschichte erhalten? Das Forum „Die Mitte“ und die Grünliberalen spannen zusammen – alleweil einen Artikel wert. Wir werden sehen.

    Für Ihren ersten Austausch im nicht-virtuellen Leben wünsche ich schon jetzt eine ruhige Stunde.

  11. Jan Flückiger

    Liebe Frau Schaad Hügli, lieber Herr Balsiger,

    Jetzt wurde ich in der Tat auch von einer ganz neuen Funktion dieses Blogs überrascht. Gerne treffe ich mich mit Frau Schaad Hügli zu einem Mittagessen, leider passen mir beide der vorgeschlagenen Termine nicht. Ich würde vorschlagen, sie wenden sich direkt an mich (jan.flueckiger@grunliberale.ch) und wir finden bestimmt einen Termin.

    Ein wenig enttäuscht bin ich hingegen schon. Ich hatte eigenlich erwartet, noch in diesem Blog zu erfahren, wo und wie denn „die Mitte“ ökologische Anliegen vertreten möchte.

    Der Vorteil eines öffentlichen Dialogs wäre ja, dass den Wählern ein echter Wettbewerb der Ideen geboten würde.

    Nicht nur den Journalisten, auch dem Wahlkampfblog wäre es eigentlich zu gönnen, wenn diese wichtige Diskussion nicht an den privaten Mittagstisch verschoben wird.

    Beste Grüsse an diesem regnerischen Sonntag
    Jan Flückiger
    be.grunliberale.ch

  12. Christine Schaad Hügli

    Es war keineswegs der Vorschlag für ein privates Tête-à-tête, lieber Herr Flückiger, sondern der Austausch zwischen einem Exponenten und
    einer Exponentin von politischen Gruppierungen, die ihren politischen Leistungsnachweis erst noch zu erbringen haben. Politischen
    Leistungsnachweis erbringt man nicht, indem man Grundsatzpapiere verfasst, sondern indem man Mehrheiten und Abstimmungen
    gewinnt. Mehrheiten gewinnt man manchmal mit guten Argumenten, sehr oft aber mit Koalitionen und konstruktiven Partnerschaften.
    Sie werden selten via Blogs geschmiedet. Mittagessen eignen sich da besser. Und für die Austausch der Ideen bleibt ja immer noch der
    Wahlkampf. Welche Positionen die Mitte einnimmt, können Sie auf unserer Homepage nachlesen: http://www.die-mitte.org
    Mit besten Grüssen
    Christine Schaad Hügli

  13. Jan Flückiger

    Wie gesagt, ich bin offen für ein gemeinsames Mittagessen. Auch für Koalitionen sind die Grünliberalen sicher offen, sobald wir dann mal in der Situation sind, dass Koalitionen Sinn machen (sprich wenn unsere Parteien dann hoffentlich beide im Parlament sitzen). Sie haben sich ja auch bereits mit unserem Ko-Präsidium der Stadt getroffen diesbezüglich.

    Worum es mir geht ist, dass Sie meine konkrete Frage, nämlich die Frage nach den ökologischen Anliegen der „Mitte“ nicht beantwortet haben.

    Mich (und ich hoffe die Leser des Blogs) würde diese Antwort brennend interessieren, unabhängig davon, ob wir uns zum Mittagessen treffen oder nicht.

    Und wie sie sagen, Politik wird nicht mit Worten gemacht, deshalb hätte mich der konkrete Tatbeweis interssiert, den die Vertreter der „Mitte“ in der Vergangenheit erbracht haben, die teilweise ja schon in politischen Gremien vertreten sind.

    Dass Ihnen diese Antwort so schwer fällt, zeigt vielleicht, dass ich mit meinem Vorwurf bezüglich „Lippenbekenntnisse“ gar nicht so unrecht hatte.

    P.S. Verzeihen Sie meinen spitzen Schreibstil, ich bin ja eigentlich ein ganz umgänglicher Mensch, mich reizt hier nur die politische Auseinandersetzung. So oder so würde ich mich nachwievor freuen auf ein persönliches Treffen, wo wir das „verbale Kriegsbeil“ wieder begraben können.

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