Bern braucht Köpfe, keine Blöcke

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Zum ersten Mal seit den Achtzigerjahren stehen bei den Gemeinderatswahlen vom nächsten Sonntag drei Listen zur Auswahl, die alle mindestens einen Sitz erreichen können. Das ist eine positive Entwicklung, standen sich doch seit 1992 immer nur die beiden erratischen Blöcke Rot-Grün-Mitte (RGM) und „Bürgerlich“ gegenüber.

Auf allen drei Listen hat es Kandidierende, denen man das Amt in der Stadtregierung zutrauen darf. Und damit beginnt das Dilemma für parteiunabhängige Wählerinnen und Wähler, die vermutlich eine Mehrheit in der Stadt ausmachen. Sie müssen sich wohl oder übel für eine Liste entscheiden, denn: Wer panaschiert, also Namen von verschiedenen Listen aufschreibt, schwächt die gewählte Liste. Der Proporz ist ein Chnorz.

In rund 80 Prozent aller Gemeinden und in 24 von 26 Kantonen wird die Exekutive nach dem Majorz, also dem Mehrheitswahlrecht, bestimmt. Nicht so in der Stadt Bern, die ihre Regierung nach dem Proporzwahlsystem kürt. Genauso wie bei den Nationalratswahlen sind Gemeinderatswahlen also Listenwahlen.

Beim Majorzwahlsystem hingegen geht es um Persönlichkeiten, das Parteibuch hat eine geringere Bedeutung. Das führt zu weniger, dafür profilierteren Kandidaturen, folglich solchen, die wirklich gewählt werden wollen und nicht nur halbherzig als Lückenfüller mittrotten. Der Effekt: Während des Wahlkampfs findet ein echter Wettbewerb der besseren Ideen statt.

Ich ermuntere die Parteien Berns, dieses Thema nach den Wahlen wieder aufzugreifen. Der letzte Versuch im Parlament von anno 2008 war oberflächlich, man verständigte sich auf „gäng wie gäng“ und die Sache war abgehakt. Nicht das mathematische Zuteilungsverfahren nach Hagenbach-Bischoff, Sainte-Laguë oder dem Doppelten Pukelsheim sollte im Zentrum der Debatte stehen, sondern etwas Zentraleres: Unsere Stadt braucht Köpfe. Das Blockdenken – und -wählen sollte sich Bern nicht länger leisten.

 

Foto: Frankfurter Allgemeine Presse

2 Comments on “Bern braucht Köpfe, keine Blöcke”

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