Berner Ständeratswahlen: Wie Jost die Suppe von Markwalder und Wyss versalzt

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Am Sonntag blickt die Nation nach Bern.  Zum einen interessiert die Volksabstimmung über Mühleberg II, zum anderen die Sommaruga-Nachfolge für den Ständerat. Diese Ersatzwahl wurde in den letzten Monaten zu einem Formtest der Parteien für die eidgenössischen Wahlen im Oktober hochstilisiert. Der Kampf zwischen Christa Markwalder (links), Ursula Wyss (Mitte) und Adrian Amstutz (rechts) sowie Marc Jost verlief engagiert. Neue Aspekte und eine Prognose 24 Stunden bevor die Resultate bekanntgegeben werden.

Vor knapp drei Monaten schrieb ich in diesem Blog, dass das Rennen unter diesen drei Kandidierenden weitgehend offen sei. Entsprechend seien die kleinen Mitte-Parteien und die Durchschlagskraft der Kampagnen entscheidend.

Ich knüpfe bei diesen beiden Punkten an:

1. Kleine Mitte-Parteien:
Mitte Dezember, nur wenige Stunden vor dem Ablauf der Anmeldefrist, setzte die EVP den Thuner Grossrat Marc Jost auf das Kandidatenkarussell. Er wird seit wenigen Wochen auch offiziell von der CVP und der GLP unterstützt. Theoretisch käme er so auf rund 11 Wählerprozente. Die Basis der drei Kleinparteien wird der Empfehlung allerdings kaum geschlossen folgen, zumal Jost nicht den Hauch einer Wahlchance hat.

Trotzdem hat Josts Kandidatur eine eminente Bedeutung: Die 20’000 Stimmen, die er ungefähr erzielen dürfte, gehen zulasten von Markwalder und Wyss. Das ist für die beiden Kandidatinnen schmerzhaft. Jost ist in der Rolle des Suppenversalzers – und er stärkt die Position von Amstutz.

2. Durchschlagskraft der Kampagnen:
Adrian Amstutz hat ein klares Profil: Er krempelt die Ärmel nach hinten, donnert die Faust auf den Tisch, spricht fadengerade und mit verständlichen Worten – da weiss man, was man hat. Mit seinem Stil polarisiert er zwar stark und ist auch für viele moderate Bürgerliche nicht wählbar, heimst aber deswegen auch viele Sympathien ein.

Amstutz profitiert davon, dass er im letzten Jahr monatelang als Vorkämpfer der Ausschaffungsinitiative im Scheinwerferlicht stand. Das machte ihn noch bekannter, sein Profil noch schärfer. Kritiker monieren, dass er mit seinem hemdsärmligen Stil nicht ins „Stöckli“ gehöre. Weil diese Ständeratsersatzwahlen aber für einmal nicht primär Persönlichkeits- sondern Parteiwahlen sind, fällt das kaum ins Gewicht.

Der SVP-Nationalrat beackerte mit seiner Kampagne konsequent die ländlichen Gebiete – dort, wo er ohnehin schon eine starke Position hat und immer noch eine knappe Mehrheit der Bevölkerung zuhause ist. Dieser Fokus war richtig, in den grossen Städten Biel und Bern gibt es für ihn nichts zu holen. Dort wählt das Elektorat rot-grün oder links-liberal und Amstutz käme sowieso nicht über Rang 3 hinaus.

Amstutz spielte im Weiteren die Anti-EU-Karte, und auch das konsequent. Der EU-Beitritt steht zwar nicht auf der Agenda, und er liegt auch nicht in der Entscheidungskompetenz des Ständerats, sondern wenn schon beim Stimmvolk. Aber angesichts der Stimmungslage in der Europafrage und der beiden Konkurrentinnen, die EU-freundlich positioniert sind, war Amstutz‘ Karte ein Ass.

Markwalder und Wyss versuchten in den letzten Monaten, ihre Images zu justieren. Der FDP-Star mit einer Abkehr von ihren Überzeugungen in der Umweltpolitik, Wyss mit dem Versuch, eine Verbundenheit mit der Landwirtschaft zu konstruieren. Das verfing nicht.

Ursula Wyss dürfte trotzdem klar über das geschlossene rot-grüne Lager, das 29 Prozentpunkte erreicht, hinauskommen. Das liegt an ihrer Position in der Mühleberg-II-Frage: Sie spricht sich seit jeher klar gegen Atomstrom aus. Damit kann sie punkten, zumal es weit mehr als 40 Prozent Nein zu Mühleberg II absetzen wird. In den Städten Bern und Biel holt Wyss 60 Prozent oder sogar noch mehr.

Abschliessend eine Prognose für den morgigen Ausgang:
Der Kanton Bern hat 710’000 Stimmberechtigte; die Stimmbeteiligung dürfte etwa 50 Prozent erreichen. Folglich beteiligen sich rund 350’000 Personen am ersten Wahlgang. Der Zieleinlauf:

1. Adrian Amstutz (svp), 37% oder 130’000 Stimmen
2. Ursula Wyss (sp), 34% oder 120’000 Stimmen
3. Christa Markwalder (fdp), 23% oder 80’000 Stimmen
4. Marc Jost (evp), 6% oder 20’000 Stimmen

Amstutz würde gemäss dieser Prognose also Tagessieger. In jedem Fall auch ein Sieger ist Jost (Bild): Mit nur 10’000 Franken konnte er seinen Bekanntheitsgrad enorm erhöhen.

Christa Markwalder wird sich aus dem Rennen nehmen; alles andere würde zu einem Flurschaden führen. Zudem ist ihre Basis (FDP und Teile der BDP) deutlich schwächer als die beiden Blöcke SVP/EDU und Rot-Grün. Mit ihrem beherzten, aber nicht fehlerlosen Wahlkampf legte Markwalder den Grundstein für eine problemlose Wiederwahl im Herbst – als Nationalrätin.

Am 6. März kommt es zum Ausstich Amstutz gegen Wyss.

Fotomontage: blog.bernerzeitung.ch/leserblog
Foto Marc Jost: loeffel.net

15 Comments on “Berner Ständeratswahlen: Wie Jost die Suppe von Markwalder und Wyss versalzt”

  1. RM

    Endlich eine nicht allzu Markwalder-lastige Einschätzung! Ob sie die Wiederwahl im Herbst so problemlos schafft? Die FDP als 10%-Partei wird sicherlich mindestens einen Sitz an die BDP abgeben müssen, aber who cares? Jost macht übrigens deutlich mehr als 20’000 Stimmen. Wir bleiben dran.

  2. Mark Balsiger

    @ RM

    Christa Markwalder hätte das Zeug, um eine ausgezeichnete Ständerätin zu werden. Aber nur mit dem Support von FDP und BDP erreicht sie die 30-Prozent-Marke nicht.

    Seitens der GLP dürfte ihr die Unterstützung verwehrt bleiben, weil sie sich klar pro Atomstrom ausgesprochen hat. Pech für sie, dass Ersatzwahlen und Mühleberg-II-Abstimmung am selben Wochenende stattfinden.

  3. Mark Balsiger

    Zu viel der Ehre, bewanderter Stadtwanderer.

    Eigentlich wollte ich in diesem Posting noch die Verankerungsmuster auf Basis der Grossratswahlen 2010 aufzeigen. (Schliesslich wählen die Bernerinnen und Berner morgen vor allem nach Partei.) Letzteres überlassen wir aber besser Hans Hirter – seine Stunde schlägt morgen!

  4. Petar Marjanovic

    Ursula Wyss wäre die perfekte Nachfolgerin für Sommaruga. Sie macht die Politik, die Arbeitern zu gute kommt… Prognosen hin oder her.

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  6. Mark Balsiger

    Vergleichen wir die effektiven Resultaten (fett) mit meinen Prognosen vom Samstag:

    – Wahlbeteiligung: 50,8% / 50%

    – Amstutz: 38,9% / 37%
    – Wyss: 33,6% / 34%
    – Markwalder: 19,7% / 23%
    – Jost: 7,8% / 6%

    Die Abweichung meiner Prognosen betragen – mit Ausnahme des Falls Markwalder – maximal 1,9 Prozent.

  7. Wampfler Jakob

    Als Diemtigtaler bin ich ganz klar für Ursula Wyss – und niemals für Amstut. Wir brauchen heute unbedingt seriöse fundierte Politik zugunsten der normalen Bürger und der Umwelt und keine billige Scharfmacherei. Erkämpfen wir Ursula Wyss den Weg in den Ständerat. Danke.

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  10. Arnold Armin

    Ursula Wyss ist mit Abstand die bessere, verständnisvollere, sachlichere und flexiblere Poltikerin als Herr Amstutz von der SVP.
    Das Volk braucht eine Poltikerin mit einem grossen Herz für die Schwächsten im Kanton Bern.

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